Dienstag, 21. Juli 2020

Kann man das nochmal lesen?

Wir alle haben sie: Bücher, die wir schon einmal gelesen haben. Und dann fangen sie nur noch Staub. Es gibt dann Leute, die sie verkaufen oder anders weitergeben. Vorzugsweise an Leute, die das Buch noch nicht gelesen haben. Wenige schmeißen sie dann auch weg (welche Schande! Bücher gehören NICHT weggeschmissen - es sei denn, sie sind sehr kaputt!) oder benutzen sie zum basteln. Das ist wie gesagt selten, schließlich hat man dafür ja gutes Geld bezahlt. Eine Lösung, die wohl sehr nahe liegt: Lies es doch irgendwann nochmal. Aber das ist so eine Sache. Denn bei bestimmten Büchern denkt man dann: kann ich das wirklich ein zweites mal lesen?

Anmerkung: Ich bin ein Sammler. Ich kaufe mir Bücher und lese sie, danach stelle ich sie in meinem Regal zur Schau. Und selbst wenn ich es nicht noch einmal lese, ich besitze es. Die Idee für diesen Post bekam ich durch meine letzte Lektüre, Dark Memories, welches ich wahrscheinlich kein zweites Mal lesen werde. Allerdings gibt es noch weitere gute und schlechte Beispiele für Bücher, die man vielleicht oder vielleicht nicht ein zweites Mal zur Hand nimmt.

Ich persönlich finde, das es dabei darauf ankommt, worum es geht. Das Genre spielt hierbei eher ein untergeordnete Rolle. Gewisse Handlungen setzen auf das Unwissen des Lesers, ihr Ziel ist der große Schock am Ende. Doch sobald man das Buch zum ersten Mal gelesen hat, ist dieser Status aufgebraucht - man kennt jetzt das Geschehen und ist nicht mehr überrascht. Es mag dann Leute geben, die es nicht erneut lesen, weil der Thrill fehlt. Diese würden dann The Girl on the Train oder Gone Girl nicht noch einmal in Betracht ziehen. 

Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die nun das Geschriebene auf Hinweise scannen, die das Ende quasi vorwegnehmen (einen Post über dieses Phänomen namens Foreshadowing habe ich bereits in Planung). Bei Filmen ist das sehr beliebt, bei Büchern ist es lediglich zeitintensiver. Doch manche Leute lassen sich darauf ein, weil sie unbedingt wissen müssen, ob sie wirklich so blind waren, das Ende nicht kommen zu sehen. Zu dieser Gruppe zähle ich mich am ehesten, da ich The Girl on the Train auch noch ein zweites Mal gelesen habe. Ob ich Gone Girl nochmal lesen würde, weiß ich grade nicht. Wenn es zeitlich passt-

Apropos Zeit: Ein Buch, das um die 350 bis 400 Seiten hat, ließt man vielleicht eher noch einmal als einen Wälzer mit über 1000 Seiten. Ok, ich denke das so. Natürlich ist das in erster Linie vom Inhalt abhängig. Doch ich habe festgestellt, das man beim nochmal lesen dazu tendiert, gewisse Passagen zu überspringen, um dabei Zeit zu sparen. Auch kann es sein, das man versucht, Stellen zu vermeiden, die einen beim ersten Mal gestört oder gelangweilt haben. Wenn ich Der Glöckner von Notre Dame noch einmal lesen würde, würde ich wahrscheinlich einige Dinge aussparen, die die Handlung nicht voranbringen. Bei Dark Memories würde ich wahrscheinlich 3/4 der ersten Hälfte überspringen.

Natürlich sind Bücher, die einen am Ende enttäuscht und sowieso nicht gut unterhalten haben, von diesem Denken ausgeschlossen. Man hat sich einmal darauf eingelassen, es hat nicht gefunkt, also braucht man es nicht ein zweites Mal zur Hand nehmen. Einige Beispiele dazu finden sich in Sunderlands Bücherregal. Die folgenden drei möchte ich hierbei hervorheben:
  1. Eifelbullen schien zwar eine interessante Prämisse zu haben, war aber so durcheinander und unspektakulär, das ich es bereue, es gelesen zu haben. Eine Katze war das besten an diesem Machwerk.
  2. Hörig wurde mir sogar mit den Worten "Ich finde dieses Buch schlecht, was meinst du dazu" in die Hand gedrückt. Das ich am Ende diesen Eindruck bestätigen konnte, lag daran, das die Story so lieblos und unintensiv wirkt. Die Figuren haben einen regelrechten Aufreg-Faktor. Dabei soll lesen doch entspannen oder unterhalten.
  3. Mein bist du würde ich nicht freiwillig noch einmal anfassen, das es so verdammt repetitiv ist und seine Handlung andauernd wiederholt. Auch finde ich die Prämisse des Top-Ermittlers mit beschissener Kindheit total abgenutzt und unglaubwürdig.

Meinem Empfinden nach ist es eher einfacher, Hörbücher ein zweites oder drittes Mal zu hören. Das könnte daran liegen, das man die Freiheit hat, nebenbei etwas anderes zu machen. Man kann vielleicht aufräumen oder ein Spiel spielen (mache ich manchmal), oder man macht es sich einfach gemütlich und schließt die Augen, um sich zu konzentrieren. Auch wenn man mit dem Auto pendelt, sind Hörbücher eine gute Alternative. Sehr gute Hörbücher kann man dann immer wieder einlegen, ohne dabei irgendeine Anstrengung zu haben. Zum einen weiß man, wie lange man in diesem Universum verbringt, denn Hörbücher geben ja ihre Lauflänge an. Zum anderen sind viele Hörbücher gekürzt (wahrscheinlich, um sie für das CD-Format besser nutzbar zu machen), wodurch gewisse Dinge einer Geschichte wegfallen. Somit kann man sich auf das Wichtige konzentrieren. Mein Lieblingshörbuch bleibt Knochen zu Asche (geschrieben von Kathy Reichs, gelesen von Katja Riemann), inzwischen habe ich es bestimmt 10 Mal angehört, seit ich es entdeckt habe. Auch nochmal anhören würde ich Missing von Claire Douglas, weil es wirklich gut erzählt ist und sie die richtigen Stimmen genommen haben.

Eine Sache, die ein erneutes Lesen begünstigen könnte, wäre ein sehr einnehmender Schreibstil. Es gibt auch Bücher, die aufgrund ihres Stils mehr punkten als durch ihren Plot oder die Figuren. Letztere können auch ein Grund sein, sich erneut auf die Reise zu begeben. Das wäre bei mir zum Beispiel die Motivation, noch einmal Divergent zu lesen, da ich besonders die Figuren gerne mag. Andere Bücher, die ich auch gerne mehrfach lese, sind folgende:
  1. Das 10te Königreich, da ich gerne Märchen mag und ich die Geschichte als kind schon gerne im Fernsehen sah. Da sich das Buch auch sehr nah an die Serie hält (da es der erste Drehbuchentwurf war), wird man auch nicht von dummen Änderungen abgelenkt.
  2. Nur 15 Sekunden hat einen sehr gut durchdachten Plot und ein spannendes Thema. Ich habe es bestimmt drei Mal gelesen bisher, würde es aber nochmal tun. Zusätzlich muss ich auch hier die Hörversion loben, die von Franziska Pigulla gelesen wurde.
  3. 3 Wochen bis zur Wahrheit ist wie das vorher erwähnte Buch der gleichen Autorin, jedoch liebe ich hier vor allen Dingen das Konstrukt der Figuren, wie sehr es einen an die Seiten fesselt. Auch dieses Buch habe ich schon mehrfach gehört und gelesen. Und jedes Mal weiß ich, das es ein nächstes Mal geben wird.

Zum Schluss gibt es noch eine Sparte, die auch vorkommt, aber was einige ungern zugeben: Bücher, deren Inhalt man schlicht vergessen hat. Man hat sie mal gelesen, aber es ist so lange her, das man eigentlich gar nicht mehr weiß, was drin stand. Grund dafür könnte sein, das man es nicht bewusst gelesen hat und sich nicht richtig konzentriert hat. Oder aber der Plot war so belanglos, das man es zwar genossen hat, aber das nichts hängen geblieben ist. Solche Bücher kenne ich auch. Für erstere habe ich zwei gute Beispiele:
  1. Wiedersehen mit Mrs Oliver ist ein Buch, das ich gelesen und dann komplett ausgeblendet habe. Als ich es dann beim zweiten Mal gelesen habe, bemerkte ich, was für ein genialer Krimi das ist. Inzwischen weiß ich immer noch, worum es geht. Und nochmal lesen würde ich es bestimmt auch.
  2. Das Grab ist erst der Anfang ist quasi das einzige andere Buch von Kathy Reichs (neben Knochen zu Asche und auch Der Tod kommt wie gerufen), das ich wirklich nochmal gelesen habe. Denn ich wusste gar nichts mehr darüber. Und es hat mich genauso gefesselt wie beim ersten Mal. Der Twist hat mich zum zweiten Mal überrascht. Auch hier würde ich nochmal zugreifen.

Somit stellt sich wohl heraus, das man jedes Buch noch einmal durchschmökern kann, sofern es einem gefallen hat. Für einige Menschen da draußen gibt es bestimmt Ausnahmen, wie zum Beispiel ein Buch, das man mal lesen musste und dann nur halbherzig gelesen hat, nur, um es nach Jahren ein weiteres Mal zu lesen und zu prüfen, ob es wirklich so schlecht ist. Denn im Endeffekt ist lesen eine Entscheidung. Und diese beeinflusst manchmal, ob uns etwas gefällt oder nicht. Aber wenn, dann kehrt man gerne noch einmal dahin zurück und lässt sich durch bekannte Gefilde tragen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen