Dienstag, 16. März 2021

Die Realverfilmung von Mulan - das Ende der Illusion

Loyal, mutig und wahrhaftig. Dafür steht der Realfilm von Disney über Hua Mulan, die Kriegerin, die für ihren Vater in die Schlacht zog. Da es sich hierbei um eine Adaption eines Renaissance-Klassikers handelt, war ich natürlich neugierig auf seine Umsetzung. Zuerst wusste ich aber gar nicht, ob ich den Film überhaupt sehen würde. Denn durch die Pandemie gab es kein Kino-Release und Disney+ habe ich auch nicht. In Zukunft vielleicht. Und ich fürchtete, das es für den Film gar kein Home-Release geben würde. Zum Glück war Disney aber schlau, sodass ich den Film auf Blu-ray bekommen konnte, um ihn zu sehen.


Für diesen Post habe ich den Film gleich zweimal angeschaut: Einmal mit meinen Cousinen und nochmal alleine. Denn nach dem ersten Schauen fühlte ich mich, als hätte mir der Film nicht wirklich viel gegeben. Jetzt, wo ich ihn erneut begutachten konnte, habe ich meine Meinung noch ein wenig verfeinert. Auch andere Meinungen habe ich mir angeschaut - und das fand ich sehr nützlich.

Die Geschichte
In der Realverfilmung ist Hua Mulan bereits sehr früh mit einem starken Chi gesegnet. Jedoch darf sie dies als Frau nicht zeigen. Sie muss Ehre bringen, in dem sie eine gute Partie heiratet. Doch als der Termin mit der Heiratsvermittlerin scheitert und Mulans Vater in die Armee einberufen wird, beschließt sie, an seiner Stelle zu kämpfen. Denn Bori Khan, der seine Truppen aus dem Norden nach China führt, hat das Ziel, den Kaiser zu töten, der wiederum seinen Vater getötet hat. Mit der Hilfe einer Hexe will er die Truppen ausschalten, um an sein Ziel zu kommen. Doch keiner von ihnen hat die Rechnung mit Mulan gemacht. Diese ist zwar Zwiegespalten von der Lüge, die sie vorgeben muss, doch als sie von Bori Khans Plänen erfährt, scheut sie nicht einmal den Tod, um den Kaiser zu retten und somit doch noch Ehre für ihre Familie zu bringen.

Die Figuren
Es gibt mehrere neue Figuren in der Realverfilmung. Als erste begegnet man der jüngeren Schwester von Mulan. Diese ist zwar nur in wenigen Szenen zu sehen und scheint auch irgendwie nur für wenige Momente eine Daseinsberechtigung zu haben. Im Realfilm ist die Mutter irgendwie unsympathisch, die Anspannung zwischen den Familienmitgliedern ob des drohendes Angriff aus dem Norden kommt nicht so stark rüber wie sie sollte. Auch fehlen einfach die komischen Einlagen der Großmutter und von Mushu, um doch mal ein Lächeln auf die Lippen zu bekommen.

Auch stelle ich mir die Frage, was der Anfang des Filmes sollte: Mulan scheint schon als Kind sehr gut im Kampfsport zu sein - siehe die Szene mit dem Huhn. Als sie aber zur Armee kommt, versteckt sie ihr Talent. Warum? Sie ist doch gerade zur Armee gegangen, um diese Stärke zu nutzen, oder nicht? Was wäre also so schlimm daran gewesen, von vorne herein keinen Hehl daraus zu machen? Das sie diese Fähigkeit, im Film als Chi bezeichnet, überhaupt hat, hat mich verwirrt. Denn schließlich lernt sie doch eigentlich erst alles, was sie zum kämpfen braucht. Andere meinten das dies einer der Gründe ist, das ihre Reise dadurch an Gewicht verliert.

Die anderen Soldaten um Mulan bleiben farblos im Hintergrund. Zu keinem davon baut man als Zuschauer irgendeine Bindung auf. Zwar gibt es Namen, die auf Figuren des Zeichentrickfilms verweisen, doch trotzdem sieht man Mulan sehr wenig mit ihnen interagieren. Ja, ok. Da ist dieser eine Soldat als Love interest, dessen Namen ich aber nach zweimal schauen immer noch nicht richtig weiß. Doch auch die Beziehung zwischen diesen beiden Figuren scheint nicht richtig ausgereift worden zu sein. Deswegen sind einem diese Figuren irgendwie egal. Insgesamt sind alle Figuren ernster gestaltet, wie auch der Kaiser oder sein Berater. Das wäre ja auch nicht schlimm, wenn wenigstens unsere Heldin etwas für sich hätte. Doch hier kommt Mulan arg hölzern herüber und vermittelt einem kaum die Emotionen, die man erwarten sollte.

Bori Khan und die Hexe sind die Bösewichte, wenn man so will. Aber von den beiden ist eher die Hexe interessant. Bori Khan ist eine sehr lahme Entschuldigung für Shan Yu und seine Hunnen. Ich weiß gar nicht, was ich weiter darüber sagen soll, weil es einfach nicht mehr gibt. Es fehlt hier eindeutig an Tiefe bei einigen Figuren. Die Hexe scheint wie gesagt eine halbgute Figur, lernt man doch, das sie aufgrund ihrer Kräfte verstoßen wurde und eigentlich nur einen Ort sucht, an den sie gehört. Wer tut das nicht. Trotzdem ist das nicht genug für mich, um so einen Plot zu tragen.

Die Musik
Der Originalscore von Jerry Goldsmith ist schwer zu toppen. Da besagter Komponist aber nicht mehr unter uns weilt, hat Disney für die neue Vertonung Harry Gregson-Williams engagiert, dessen bekanntestes Werk wohl die Musik zu Shrek ist. Ich persönlich finde, das Gregson-Williams sich zwar an Goldsmith orientiert hat, dabei allerdings sehr wenig mitgenommen hat. Der neue Score zu Mulan ist im Vergleich deutlich weniger aufregend. An zwei Stellen wurde die aus dem Trailer bekannte Instrumentalisierung von Reflection in Teilen genutzt, aber sonst scheint es keine großen weiteren Reminiszenzen zum Zeichentrickfilm zu geben, was ich doch eher schade finde. Man hätte gewisse Szenen mit ähnlicher Musik untermalen können, um so deutlicher herauszustecken.

Positiv auffallend ist als Einziges der neue Song für den Film, der im Abspann zu hören ist. Christina Aguilera, die ja 1998 bereits die Pop-Version von Reflection sang, knüpft erneut Verbindung zu Mulan mit Loyal, brave and true. Der Titel, der die drei wichtigen Tugenden des Films wiedergibt, ist eine schöne Ballade, die zeigt, wie wichtig es doch war, dem Soundtrack ein Lied zu geben. Auch bin ich der Meinung, das die Melodie des Songs nicht im Score verarbeitet war, so wie es Alan Menken immer macht. Leider stimme ich auch hierbei mit jemandem überein, der sagte, das diese knapp drei Minuten im Abspann einem mehr Emotionen bieten als die vorangegangenen zwei Stunden Film.

Die Kameraarbeit
Diese war doch sehr interessant gestaltet. Stetig ist alles in Bewegung. Ich finde, Disney hat hier einen Martial-Arts-Actionfilm veröffentlicht. Das ist sonst nicht mein Genre und ich hätte den Film ohne Mulan wohl nicht angeschaut. Es gibt viele atemberaubende Shots zu sehen, die die Schönheit Chinas einfangen und damit einen Pluspunkt. Jedoch gab es Stellen, die ich vom Pacing und Scripting her etwas schwierig fand. Jedoch kann man schöne Bilder von China auch einfach in einer Doku ansehen. Zusätzlich ist nicht alles ganz so historisch korrekt, wie es sein sollte. Eine echte Chinesin, die sich mit ihrer Geschichte auskennt, hat sogar extra ein Video gemacht, um darauf hinzuweisen. Ich werde es unter dem Post verlinken.


Viele visuelle Elemente sind das Einzige, was
dem Film einige Pluspunkte gibt
Die Szene mit der Heiratsvermittlerin wurde anscheinend eingefügt, um den Film wirklich näher an sein Original zu bringen. Jedoch wird sie ab einem Punkt ziemlich albern. Denn Mulans Schwester hat Angst vor Spinnen (ihr einziges Persönlichkeitsmerkmal, wie jemand kritisiert hat). Und bei dem Termin mit der Vermittlerin krabbeln eine Arachno-CGIus über den Tisch. Mulan versucht, sie zu verbergen, scheitert jedoch. Was mich hier ärgert ist, das sie in dieser Version noch weniger Schuld am Scheitern hat, als im Zeichentrickfilm schon. Wie gesagt, es wirkt etwas albern teilweise. Vor allem, weil das die einzige Szene für mich ist, in der die Schwester irgendwie wichtig für den Plot ist. 

Oder während des Kampfes, wo Mulan das Schlachtfeld einfach mittendrin verlässt um den bösen zu verfolgen und dann eine Begegnung mit der Hexe hat. Wozu war das gut? Im Nachhinein wohl, damit sie realisiert, das sie nur als Mulan Loyal, mutig und wahrhaftig sein kann. Doch trotzdem ist es sehr verwirrend, das sie den Kampf einfach verlässt für diesen Konflikt. Als hätte man nicht gewusst, wie. Insgesamt sehe ich die Kampfszenen sehr mager, weil ich ja keine emotionale Verbindung zu den Figuren habe. Und Mulan und ihr Chi machen es nicht besser.

Im Vergleich
Ja ich weiß, ich sollte vielleicht keinen Vergleich ziehen. Sogar meine Cousine meinte, das beide Filme schlecht zu vergleichen wären, weil jeder für sich selbst steht. Das es aber ganz klare Verbindungen gibt, lässt sich nicht von der Hand weisen. Natürlich gab es viele, die beklagt haben, das Drache Mushu nicht wieder vorkommen wird. An seiner Stelle haben wir einen Phönix, der die Vorfahren der Hua-Familie symbolisiert und Mulan auf ihrer Reise begleitet. Die Idee fand ich auch nicht schlecht, doch der Vogel ist genauso passiv wie der Rest des Films und scheint beinahe verschwendet.

Insgesamt ist der Film deutlich ernster und Melancholischer als sein Vorgänger und zeichnet Mulan als eine sehr nachdenkliche und innerlich zerrissene Person. Trotzdem bleibt für mich etwas auf der Strecke. Im Zeichentrickfilm, nachdem Mulan enttarnt wurde, sagt sie, das sie gerne in den Spiegel schauen und jemanden sehen wollte, auf den man stolz sein kann. Das scheint hier irgendwie verloren gegangen zu sein.

Ohne die Musik, einige der Figuren und mit anderen Konflikten, wie es mir scheint, hat Mulan an einer Schwere gewonnen, die beide Filme doch stark voneinander abgrenzt. Fast so als zeige der Realfilm eine Mulan, deren Motivation sich dem Zuschauer nicht zu deutlich offenbart. In einer anderen Kritik wurde gemeint, das man ihr im Realfilm genau die falsche Motivation gegeben hat. Teilweise fehlen gewisse Emotionen, die mir in der Verfilmung wichtig gewesen wären. Es gibt spannende Momente, doch nichts, das einen wirklich stark berührt. Mulan hat die Kindlichkeit und Leichtigkeit verloren, die das Original für uns alle so sehenswert gemacht haben.

Das Fazit
Zum Abschluss sage ich mal so: Der Realverfilmung von Mulan ist ein Film eines bestimmten Genres, mit einigen wenigen Bezügen zum Disney Klassiker, das eher das Genre bedienen wollte, als Nostalgie zu generieren. Natürlich heißt das nicht, das man den Film nicht mögen kann. Aber doch denke ich, das ich ihn seltener anschauen werde wie zum Beispiel die Realverfilmung von Aladdin, die die Geschichte des Klassikers auf eine sehr schöne Weise vertieft hat. Es kann halt nicht alles 100% passen.

Die ganzen Kontroversen (ob groß oder klein), die ebenfalls zu diesem Film gehören, möchte ich nur erwähnen, um etwas wichtig zu sagen: selbst wenn sie nicht gewesen wären, wäre dieser Film nicht besser. Polizeibrutalität, Konzentration-Camps, horrende Preise und Boykotts aus mannigfaltigen Gründen. Nichts davon hätte auch nur eine Sekunde dieses Films verändert und ihn bereichert. Bei diesem Film hatte ich einfach kein Glück. Jetzt bleibt mir noch, auf die nächste vielversprechende Realverfilmung zu warten. Das wird wohl Arielle sein. Doch auch auf Den Glöckner von Notre Dame und Herkules bin ich gespannt.


Hier verlinke ich ein paar YouTube-Videos, die ich zu dem Thema MULAN gesehen habe - alle auf englisch:


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen